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Battle of technologies

von Nikolai Wolfert

Round 1: Inferno physikalischer Unpolitik

Verursachen Atomkraftwerke bei nahewohnenden Menschen Blutkrebs? Ja oder Nein. 2008 erläuterten dies die Bundestagsabgeordneten Katharina Reiche und Hans-Josef Fell in der KiKK-Studie. Reiche verneinte die Frage. Fell bejahte sie. Ob Vertuschung oder Panikmache, bei dieser Debatte wurde die physikalische Wirkung von Atomkraftwerken (ob Strom, Atommüll, Wasserdampf oder eben die nukleare Strahlung) zur politischen Materie. Einerseits durch die Ablehnung betroffener BürgerInnen (bzw. die stillsteigende Akzeptanz der unbetroffenen BürgerInnen) und andererseits durch die Interessen der Atomlobby. Physikalische Teilchen und Abgeordnete werden durch Atomtechnik bewegt.

Link zur KiKK-Studie

Halten wir kurz inne, um zu verstehen was Technik ist und wie sie wirkt. In Technik realisieren sich nicht nur zahlreiche physikalische Erkenntnisse, sondern auch ökonomisch-strategische Interessen. Technik wird für vorder- und hintergründige Interessen eingesetzt. Bei der Atomkraft war das vorgeschobene Interesse an günstiger (?) und ökologischer (?) Stromproduktion da. Das hintergründige Interesse (das also, was wirklich interessant ist) war die Zentralisierung von Macht. Die Doppelzügigkeit (List) hat zu Legitimationskriegen bei betroffenen Menschen, in der Politik und am "deregulierten" Markt geführt.

Langsam endet der naive politische Umgang mit der Technik. Die BürgerInnen erwachen, wenn Monsanto den Genmais MON810 auf ihren Felder sät. Nachdem das Private dem Politischen zugesprochen wurde, muss auch das Technische systematisch und umfassend - nicht nur Genmais und Atomkraft - politisiert und legitimiert werden. Zu lang blieb die politische Macht des Technischen unbeobachtet, womit sie unlegitimiert und undemokratisch war. In und an der Technik müssen macht-strategische Interessen erkannt werden. Qui bono? - jetzt bei AKWs, Genmais und Verbrennungsmotoren. Wem nützt die Technik? Noch spannender, weil demokratischer: Wem schadet die Technik? Eindeutig wirken Atomkraftwerke auf Mensch und Markt destruktiv beherrschend. Die atomare Machtfrage ist eine Durchsetzungfrage. Angesichts der katastrophalen Folgen der Technisierung von Mensch und Natur bleibt nur die Erkenntnis: Wer die strategische Macht der Technik nicht erkennt, schläft mitten im technischen Inferno von Asse, Artensterben und Überwachungsstaat.

Round 2: (V)erbitterter Kampf um technische Macht

Politik ist Kampfsport. Mit Brachialgewalt stellen Profit- und Machtstreben das Inferno her. Technische Entwicklung ist kein freier Prozess der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, sondern ein strategisch geplanter. Unternehmen erforschen und entwickeln nur Produkte, die in ihren Interesse sind. Unternehmen ziehen Innovationen und technische Pfade vor, die Profitmaximierung, Kundenabhängigkeit und Monopolisierung versprechen. Sie konstruieren Innovationen als Profitmaximierer bzw. als Macht- und Marktoptimierer. Verständlich wird so, warum wir noch immer Benzin-Motoren, Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke haben und daran verrecken werden. Auch der Staat forscht nach Technik, die seine Herrschaft ausbaut (Vorratsdatenspeicherung, Rüstungstechnik, Großprojekte wie Flugzeugbau oder Atomfusionstechnik).

Diese technische Herrschaft verhindert einen Widerstand in sich und bei Wettbewerbern. Innovationen und technische Pfade werden eliminiert, wenn Profite und Machterhalt konterkariert würden. Hermann Scheer beschreibt dies in seinem Buch Sonnenstrategie: "Die Kontrolle des Energiesystems zu behalten war den Energiebaronen wichtiger als erhebliche zusätzliche Gewinne durch die Produktion von Solaranlagen, deren Besitz den individuellen Betreiber unabhängiger [von Energiekonzernen wie eon, RWE] macht". Doch der Widerstand wächst. Immer stärker bricht der Kampf Erneuerbare Energien gegen fossile Kraftwerke, Elektroauto gegen Benzinwirtschaft, Dämmstoffe gegen Gaslieferer, Microsoft gegen OpenSource, Holzbau gegen Betonbau hervor. Die neue Technik stellt die alte in Frage. Die Machtstruktur wankt je heftiger die Marktanteile wechseln. Technisierung und innovativer Wandel sind Machtfragen. An ihnen entscheidet sich, wer Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen kann.

Final round: Schlacht-, Mais- und Zukunftsfelder

Es gibt Arenen technischer Macht. Zentren sind die Arenen der Standardisierung, der Genehmigung und Verbote, der Patentierung, der technischen Prüfung und Zertifizierung, staatliche Arenen um Geld und Gesetze und der Markt.

In den Arenen werden Heute die Schlachten von Morgen vorgeführt. Die Arenen schaffen Sieger und Verlierer. Als Beute winken den Siegern Märkte. Auf den Märkten können sie (wie Oligopolisten und Kartelle in der Preissetzung) ihre Technik und ihre Produkte (durch-)setzen. Sieger der Arenen werden zu Herrschern der Märkte. Die Sieger können Monopole und Marktbarrieren errichten, Standards und Patente erzwingen, technische Paradigmen und Pfade isolieren, Wettbewerber filetieren oder vernichten, Technik wirtschaftlich oder unwirtschaftlich machen. Die Risikotechnik Atomenergie wäre ohne milliardenschwere Bürgschaften, Forschungsprogramme und Versicherungsgarantien staatlicher Seite - Bundesregierung und EURATOM - niemals rentabel geworden. Die Sieger bestimmen nach ihrem Interesse welche technische Zukunft entsteht. Was morgen state of the art ist, wurde in den Arenen bestimmt. Ein Beispiel: In der Schlacht um DIE Batterie der Elektromobilität werden die Weichen der Standardisierung so gestellt, dass Stromkonzerne, Automobil- und Batteriehersteller einen maximalen Profit rausschlagen.

Wer sind die Verlierer? Sehr wohl können die Arenen für die, die außerhalb stehen und keine Interessen an ihnen haben, infernal sein. Dann nämlich, wenn sie als Betroffene der Sieger auserkoren werden. Wer betroffener Verlierer ist, muss das nicht sofort bemerken. Der Gentechnikmais ist schließlich einfach so in die Nahrungsmittel gelangt, wo die Bauern und VerbraucherInnen im gentechnischen Inferno lodern. Das Interesse am Profit lenkt die Erschaffung des technischen Entwicklungspfades des Genmais' und nicht das Interesse der VerbraucherInnen oder ökologische Belange. Die Sieger agieren in Wild-West-Manier: Menschen zu Zielgruppen, freie zu abhängigen Bauern, Plünderung der Märkte und VerbraucherInnen, keine gesellschaftlichen Wohlfahrtsgewinne (Cournot-Punkt), sondern den dicken Profit für sie.

Game over: Who killed GM?

Die technische Entwicklung darf nicht mehr allein den Marktakteuren und ihren Interessen überlassen warden. Die, die den Markt dominieren, werden ihn zu ihren Zwecken umbauen. Sie werden Technik und Produkte etablieren, die ihrem Interesse nach Profit entsprechen.

Nach dem GM das Elektroauto EV1 1996 gebaut und auf Druck der Ölindustrie wieder zerstört hat, ist GM nun pleite. Erstickt an ihrer eigenen Produkt- und Produktionsphilosophie, die die Öl- und Stahlindustrie erzwungen hat. Die Ölindustrie hat den Schaden (der zu ihrem Gewinn wurde) an den VerbraucherInnen (hohe Benzinpreise), Natur (CO2-Emissionen) und den ArbeiterInnen zu verantworten. Die Ölindustrie war der mächtigste Kämpfer und Sieger. Beenden wir die undemokratische Technikentwicklung! Befreien wir uns aus der technischen Herrschaft von Microsoft, Shell/Daimler und Monsanto!