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Welternährung, Nachwachsende Rohstoffe und Flächenkonkurrenz:

Agro-Gentechnik ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

von Sabine Riewenherm

Referentin für Biotechnologie und Bioethik
der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen

Die Debatte um Hunger, steigende Lebensmittelpreise und eine drohende Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungs-, Futtermittel- und Energiepflanzen wird von Befürwortern der Agro-Gentechnik geschickt genutzt, um ein verstaubtes Argument neu aufzupolieren: Die Sicherstellung der Welternährung erfordere eine Steigerung der Produktivität in der Landwirtschaft, und dies ginge nur mit gentechnisch veränderten Pflanzen.

Zwar sind - anders als noch in den letzten zehn Jahren - die Stimmen derjenigen, die gentechnisch veränderte Pflanzen als Allheilmittel für das Hungerproblem in der Welt anpreisen, vorsichtiger geworden. Zu offensichtlich ist, dass eine einzige Technologie, erst recht nicht die Agro-Gentechnik, die vielfältigen Ursachen für Hunger bekämpfen kann. Trotzdem wird hartnäckig behauptet, dass Agro-Gentechnik zwar nicht die Lösung, aber zumindest Teil der Lösung sein könne. Die Landwirtschaft müsse moderner werden

Beide Argumente führen nach Auffassung von Bündnis90/Die Grünen in die Irre. Zunächst einmal ist nicht die zu geringe Produktivität der Landwirtschaft ursächlich für Hunger, andere Faktoren sind viel entscheidender: Ungerechtigkeiten bei Landverteilung und -zugang, Wasserknappheit, Lagerungsprobleme, Korruption und Kriege erschweren den Zugang zu Lebensmitteln. Hinzu kommt der Fleischhunger der Industrie - und zunehmend auch Schwellenländer, der dazu führt, dass die Flächen für den Futtermittelanbau zu Lasten von Anbauflächen für den Lebensmittelbedarf ausgeweitet werden.

Strukturelle Faktoren wie die Vernachlässigung der ländlichen Entwicklung und mangelhafte Unterstützung kleinbäuerlicher Landwirtschaft sowie ein ungerechtes Welthandelssystem tragen ebenfalls zum Welthungerproblem bei.

Gentechnisch veränderte Pflanzen sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Die Verheißungen der Befürworter der Agro-Gentechnik - Ertragssteigerungen, Anpassung an schlechte Klima-, Boden- oder Wasserverhältnisse - sind bloße Versprechungen geblieben. Die ökologischen und vor allem auch die sozio-ökonomischen Risiken durch den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen bleiben hingegen bestehen - egal ob gentechnisch veränderte Pflanzen nun für den Nahrungsmittelsektor oder zur Entschärfung der Flächenkonkurrenz als Energiepflanzen angebaut werden. Globale Probleme wie Hunger oder Flächenkonkurrenz werden auch nicht mit weiteren Versprechungen gelöst, dass neue Generationen von gentechnisch veränderten Pflanzen besser geeignet sein könnten als die 1. Generation. Im Gegenteil: Die bisherigen Erfahrungen mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zeigen: Ihr Anbau für den Fleischkonsum und den Rohstoffbedarf der Industrieländern treibt in Entwicklungs- und Schwellenländern die lokale Wirtschaft mit gewachsenen kleinbäuerlichen Strukturen in neue Abhängigkeiten und macht die regionalen Märkte kaputt.

Mehr Erträge und weniger Hunger durch gentechnisch veränderte Pflanzen? Fehlanzeige

Seit rund zehn Jahren werden gentechnisch veränderte Pflanzen zu kommerziellen Zwecken angebaut, vor allem in den Ländern USA, Argentinien und Brasilien. Es handelt sich fast ausschließlich um herbizid- oder insektenresistente Soja-, Mais-, Raps- sowie Baumwollsorten, die auf fruchtbaren Böden angebaut werden müssen. Die jährlich leicht steigenden Anbauzahlen bewerten Agro-Gentechnik-Befürworter als einen großen Erfolg. Was aber ist ein "Erfolg"?

Nach Auffassung von Bündnis90/Die Grünen muss ein Erfolg nicht an einer - mehr oder weniger - erfolgreichen Vermarktungsstrategie einzelner Agro-Gentechnik-Konzerne gemessen werden, sondern daran, ob ein ökologisch und sozio-ökonomisch verträglicher Beitrag zur Lösung globaler Probleme wie Hunger und Flächenkonkurrenz geleistet wird. Gentechnisch veränderte Pflanzen leisten diesen Beitrag nicht.

Den Nachweis, dass mit gentechnisch veränderten Pflanzen - im Vergleich zur konventionellen und zur ökologischen Landwirtschaft - die Produktivität langfristig gesteigert und der Pestizideinsatz reduziert werden kann, ist die Agro-Gentechnik-Industrie bis heute schuldig geblieben. Auch die häufig von der Gentechnik-Industrie zitierte Übersichtsstudie des Instituts PG Economics, wonach der 10jährige Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen große Vorteile für die Landwirte gebracht hätten, eignet sich nicht für eine solide Bewertung.

Denn in dieser Studie wurden von den Autoren lediglich volkswirtschaftliche Daten "hochgerechnet", ohne dass die Qualität der verfügbaren Angaben überprüft wurden. Eine der wenigen wissenschaftlichen Publikationen, bei denen die Erträge von Gentech-Pflanzen und konventionell angebauten Pflanzen vergleichend untersucht wurde, erschien Anfang 2008. US Wissenschaftler verglichen über mehrere Jahre den Anbau konventioneller Baumwolle mit dem Anbau von Bt-Baumwolle - und stellten fest, dass die Erträge auf den konventionellen Feldern jedes Jahr höher waren, nur in einem einzigen Fall waren die Erträge gleich.

Die UN-Welternährungsorganisation FAO wies bereits 2004 darauf hin, dass eine Ertrags- und Gewinnsteigerung durch den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wissenschaftlich nicht belegt sei.6 Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch die Autoren einer von der EU Kommission in Auftrag gegebenen Übersichtsstudie aus dem Jahr 2007 kommen zu dem ernüchternden Urteil: Die Datenlage hinsichtlich einer Ertragssteigerung durch gentechnisch veränderte Pflanzen sei nicht belastbar. Zu dieser Bewertung kommt auch der UN-Weltagrarrat in seinem Bericht von 2008: Eine Auswertung der bisher vorgelegten Studien über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen habe gezeigt, dass es in einigen Gebieten Ertragszuwächse, in anderen aber Ertragsrückgänge durch den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gab.

Noch weniger gibt es einen Nachweis für die fast gebetsmühlenartig von der Agro-Gentechnik-Industrie vorgetragene Behauptung, dass gentechnisch veränderte Pflanzen einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft leisteten. Exemplarisch dafür ist z.B. eine Studie der Biotechnologie-Industrie für Deutschland, die 2007 vom Deutschen Institut für Wirtschaft und dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung im Auftrag der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) erstellt wurde. Laut Ausschreibungstext sollte ursprünglich auch untersucht werden, ob und wenn ja wie nachhaltig die Agro-Gentechnik im Vergleich zu anderen Landwirtschaftsformen ist. In der Endfassung der Studie war darüber dann nichts mehr zu lesen.

Statt wie die ökologische Landwirtschaft das Ziel zu verfolgen, auf den Einsatz von Pestiziden zu verzichten, kommt die Agro-Gentechnik nicht ohne Pestizide aus. Entweder werden die Pflanzen mittels Gentechnik selbst zu Pestiziden umgebaut, so dass sie in allen Pflanzenteilen - sogar im Pollen - einen toxischen Stoff des Bacillus thuringiensis (Bt) produzieren. Zu diesen insektenresistenten Pflanzen gehören auch die MON810-Maissorten von Monsanto, die von ehemaligen Landwirtschaftsminister Horst Seehofer für den Anbau in Deutschland zugelassen wurden.

Bei der anderen großen Gruppe der 1. Generation, den herbizidresistenten Pflanzen, werden Totalherbizide eingesetzt. Die schädliche Wirkung dieser Kombination für die Biodiversität wurde unter anderem in einer langjährigen Studie der britischen Regierung nachgewiesen (bei Anbau von herbizidresistentem Raps 44% weniger Blütenpflanzen sowie weniger Schmetterlinge und Spinnen/bei Anbau herbizidresistenter Zuckerrüben 34% weniger Blütenpflanzen sowie signifikant weniger Bienen, Schmetterlinge und Wanzen). Dazu kommt es sowohl bei herbizid- also auch bei insektenresistenten Pflanzen zunehmend zu Resistenzbildungen bei Insekten oder Unkräutern, was langfristig den Pestizideinsatz wieder erhöht und/oder die Erträge senkt.

Der manchmal in der Debatte um Welternährung und Agro-Gentechnik erweckte Eindruck, gentechnisch veränderte Pflanzen würden schon heute einen Beitrag zur Lösung des Hungerproblems leisten, ist schlicht falsch. Im Gegenteil: Gentechnisch veränderte Pflanzen landen bisher so gut wie nie in den Mägen hungernder Menschen, sondern werden zur Exportware - als Baumwolle für billige T-Shirts oder als Futtermittel für den Fleischkonsum in den Industrieländern. Daran ändern auch nicht einzelne Prestigeobjekte der Agro-Gentechnik-Industrie, eine Mangel- und Fehlernährung mittels gentechnisch veränderter Pflanzen, wie zum Beispiel mit dem "Golden Rice" zu lösen. Nicht nur, dass trotz inzwischen über zehnjähriger aufwändiger Forschungsarbeit der Gehalt an Vitamin A im Golden Rice immer noch gering ist - es gibt konventionelle Reissorten und andere Gemüsesorten (z.B. Spinat oder Mango) oder Gewürze und Kräuter (wie z.B. Curry oder Koriander), die mehr Vitamin A enthalten. Das Hauptproblem derartiger Projekte ist jedoch grundlegender: Wenn Menschen sich nicht genug Reis zum Überleben leisten können, dann können sie sich auch keinen „Golden Rice“ leisten. Und wenn ihre ökonomische Situation sich verbessern würde und sie sich genügend Reis und Gemüse leisten könnten, bräuchten sie keinen Golden Rice.

Die bisher vor allem für den Futtermittel- und Rohstoffbedarf der Industrieländer angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen sorgen auch nicht dafür, dass mehr fruchtbare Böden weltweit für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung stehen. Denn sie wachsen nicht auf so genannten Marginal-Standorten (dafür wurden sie ja auch gar nicht entwickelt), sondern auf landwirtschaftlichen Flächen, auf denen ursprünglich Pflanzen für den Lebensmittelbedarf angebaut wurden - oder auf Flächen wie z.B. Regenwaldflächen, die für den Anbau der Gentech-Exportware gerodet wurden.

Beispiel Argentinien: Hier stieg der Anbau von Soja von rund 0,01 Millionen Hektar (1970) auf über 19 Millionen Hektar (2007). Es werden inzwischen fast ausschließlich gentechnisch veränderte Sojasorten des US-Konzerns Monsanto angebaut. Die Konsequenzen für die Landwirtschaft in Argentinien: Waldflächen wurden für den Sojaanbau gerodet, der Einsatz von Pestiziden und Stickstoffdünger stieg an, und es gibt Probleme mit dem Durchwuchs von herbizidresistenten Sojapflanzen. Gleichzeitig nahm in Argentinien die landwirtschaftliche Fläche für die Eigenversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ab, da sie zunehmend für den Anbau des Gentech-Soja für den Futtermittelexport genutzt wird. Kleine und mittelständische landwirtschaftliche Betriebe wurden verdrängt.

Das Beispiel des Soja-Anbaus in Argentinien zeigt deutlich neben den ökologischen auch die sozio-ökonomischen Risiken der Agro-Gentechnik. Dazu gehören zum Beispiel Kosten für die Vermeidung von Verunreinigungen oder Gefährdung der Biodiversität durch gentechnisch veränderte Pflanzen oder Folgen der Patentierung biologischer Ressourcen und der Monopolisierung des Saatgutsektors. Auf diese Risiken weist auch der UN-Weltagrarrat in seiner Studie hin. So würden vor allem durch Patente in Entwicklungsländern die Kosten für Saatgut in die Höhe getrieben. Und die GEPA kritisiert: Gerade Kleinbauern würden durch den Einsatz von Hybrid- und gentechnisch verändertem Saatgut in eine Schuldenspirale geraten, da sie Saatgut, Düngemittel und Pestizide jedes Jahr erneut zu vorgegebenen Preisen kaufen müssten. Diese dramatische Auswirkung der Schuldenfalle "Agro-Gentechnik" lässt sich auch bei Baumwoll-Bauern in Indien verfolgen. In den letzten Jahren erschienen zahlreiche Meldungen über eine hohe Selbstmordrate bei indischen Baumwoll-Anbauern – darunter sehr viele Bauern, die gentechnisch veränderte Baumwolle anbauen. Was sind die Hintergründe? Der Anbau von Baumwolle ist generell sehr aufwändig und kostenintensiv, unter anderem weil sie sehr empfindlich gegen Schädlinge ist und viel gespritzt werden muss. Für viele indische Bauern schien der Anbau von gentechnisch veränderten Baumwollsorten darum zunächst als ein guter Ausweg. Doch dann erfüllten sich die Erwartungen nicht. Der Schutz gegen den Baumwollschädling wirkte nicht im vollen Umfang, so dass die Bauern trotzdem Pestizide einsetzen mussten. Dazu traten neue Baumwoll-Schädlinge auf. Letztlich trieben Missernten, hohe Kosten für das patentierte Gentech-Baumwollsaatgut bei gleichbleibend hohen Kosten für Pestizide und Dünger und Schulden bei Banken oder Saatgut-Lieferanten viele indische Baumwoll- Bauern in den Ruin.

Fazit: Der Anteil gentechnisch veränderter Pflanzen der 1. Generation - egal ob sie nun als Lebensmittel-, Futtermittel-, Rohstoff- oder neuerdings als Energiepflanzen angebaut werden -an einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und zur Lösung des Welthungerproblems ist wie oben dargelegt nicht nachweisbar. Die Erfahrungen zeigen vielmehr, dass gentechnisch veränderte Pflanzen nicht zur Lösung von Hunger und Flächenkonkurrenz beitragen, sondern Teil des Problems sind.

Mehr Energie und Rohstoffe durch gentechnisch veränderte Pflanzen? Fehlanzeige

Große Hoffnungen werden nun von Befürwortern der Agro-Gentechnik in eine neue Generation von Pflanzen gesetzt. Diese sollen gentechnisch so verändert werden, dass sie entweder besonders für den Anbau als Energiepflanzen geeignet sind (also z.B. besonders schnell wachsen und viel Biomasse produzieren), auf besonders trockenen, salzhaltigen oder unfruchtbaren Böden wachsen oder spezielle Wirkstoffe für industrielle Zwecke produzieren. Diese gentechnisch veränderten Pflanzen der 2. oder 3. Generation könnten dann - so das Versprechen - die Lösung für die globalen Probleme durch Klimawandel sowie steigenden Lebensmittel- und Rohstoffbedarf sein.

Auf diesen neuen (Aber)Glauben hinsichtlich der Potenziale einer neuen Generation gentechnisch veränderter Pflanzen stößt man auch bei der schwarz-roten Bundesregierung, zum Beispiel im High-Tech-Strategiepapier des CDU-Forschungs- und des CSU-Landwirtschaftsministeriums. Exemplarisch hierzu die Aussage von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer: "Der Durchbruch wird erst in der nächsten Generation gentechnisch veränderter Pflanzen kommen, bei Energiepflanzen".

Ein Blick auf die Entwicklungen in der Pflanzenforschung zeigt jedoch, dass das angeblich so große Potenzial gentechnisch veränderter Pflanzen für den wachsenden Rohstoffbedarf reines Wunschdenken ist:

Industrierohstoffliefernde Pflanzen:

Es liegt auf der Hand, dass eine Verlagerung der industriellen Wirkstoffproduktion aus Industrieanlagen in das System "Pflanze" das Problem der wachsenden Flächenkonkurrenz zwischen Lebensmittel-, Futtermittel- und Energiepflanzenanbau nicht verringern, sondern noch verschärfen wird - unabhängig davon, ob diese Pflanzen gentechnisch verändert werden oder nicht. Die Forschung in diesen Bereichen findet fast ausschließlich mit Nutzpflanzen statt, die auch im Lebensmittelbereich eingesetzt werden (Raps, Mais, Kartoffeln). So wurde zum Beispiel von dem Konzern Syngenta ein gentechnisch veränderter Mais entwickelt, der vor allem zur Produktion von Bioethanol als Beimischung zum Benzin eingesetzt werden soll. Weiteres Beispiel ist die unter dem Namen "Amflora" bekannte Kartoffel des Konzerns BASF, die von der Stärke verarbeitenden Industrie eingesetzt werden soll.

Diese neuen Produkte aus dem Gentechnik-Labor, die sich zum Teil aber noch in der Anfangsphase der Forschung befinden, müssen auf fruchtbaren Böden angebaut werden - und sind damit eine Konkurrenz für den Anbau von Pflanzen für den Lebensmittelbereich. Erschwerend kommt noch die Gefahr hinzu, dass sie versehentlich von Menschen oder Tieren verzehrt werden beziehungsweise durch Verunreinigungen in die Lebens- und Futtermittelkette geraten können, obwohl sie nicht zum Verzehr geeignet sind. Das heißt, hier sind die Risiken für Mensch und Umwelt noch höher als bei der 1. Generation gentechnisch veränderter Pflanzen. Dazu kommt, dass die bisherigen Forschungsergebnisse mehr als ernüchternd sind: Obwohl in diesen Forschungszweig schon seit Jahren viel Geld investiert wird und es sogar schon Pflanzen gibt, die eine Zulassung haben - in den USA zum Beispiel eine Sojabohne mit erhöhtem Ölsäuregehalt - haben sich einige Firmen wie z.B. auch der marktführende US-Konzern Monsanto wieder aus Forschungsprojekten zurückgezogen. Warum? Die gentechnisch veränderten Pflanzen produzieren in der Regel nicht genug von dem gewünschten Wirkstoff, dieser lässt sich schlecht beziehungsweise nur sehr kosten- und arbeitsintensiv extrahieren und das Extrakt ist nicht wirklich frei von unerwünschten Nebenprodukten.

Fazit: Das Konzept "Industrierohstoffliefernde gentechnisch veränderte Pflanze" rechnet sich ökonomisch und ökologisch nicht und wird keinen Beitrag zur Lösung des Welthungers oder der zunehmenden Flächenkonkurrenz leisten.

Energieliefernde Pflanzen:

Es gibt keine gentechnisch veränderte Pflanze, die speziell mit dem Ziel der landwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung für den Energiebereich entwickelt wurde. Eingesetzt werden bisher vielmehr die ursprünglich für den Lebens- und Futtermittelbereich entwickelten gentechnisch veränderten Pflanzen der ersten Generation - die keinen Beitrag für eine ökologisch und sozio-ökonomisch verträgliche Entwicklung in der Landwirtschaft leisten. In Deutschland zum Beispiel versucht die Agro-Gentechnik-Industrie zur Zeit ihre Absatzprobleme damit zu lösen, dass der für den Anbau zugelassene MON810-Mais in Biogasanlagen genutzt werden soll. Nachhaltige Landwirtschaft ist das nicht, im Gegenteil: Wenn diese gentechnisch veränderten Pflanzen der 1. Generation zukünftig nicht nur für den Fleischkonsum, sondern auch noch für den Energiebedarf angebaut werden sollen, ist absehbar, dass das Problem der Flächenkonkurrenz und damit auch das Problem der steigenden Lebensmittelpreise nicht verringert, sondern sogar noch verschärft wird.

Generell geht der Trend in der modernen Pflanzenforschung bei energieliefernden Pflanzen nicht in die Richtung der Agro-Gentechnik, sondern in eine moderne Form der klassischen Züchtung. Dabei wird das genetische Wissen genutzt - zum Beispiel über die genetische Variabilität von Maispflanzen. Ziel dieses neuen Ansatzes ist aber nicht die gentechnische Veränderung der Pflanzen. So setzen weltweit agierende Unternehmen wie die Kleinwanzlebener Saatzucht zum Beispiel auf die konventionelle Züchtung von Maispflanzen für den Biogasbereich, bei der sie das Wissen um die genetische Variabilität von Maispflanzen aus Südamerika und Europa nutzen, die besonders dicke Stängel haben, bis zu fünf Meter hoch und sehr schnell wachsen.

Gerne wird diese auch "Smart Breeding" genannte Weiterentwicklung der konventionellen Züchtung von Befürwortern der Agro-Gentechnik "in einen Topf" geworfen mit der gentechnischen Veränderung von Pflanzen. Die Nutzung genetischen Wissens in der klassischen Züchtung ist aber - sowohl hinsichtlich des Potenzials als auch der Risiken - nicht mit der Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen gleichzusetzen. Allerdings gilt auch bei neuen, nicht gentechnischen Ansätzen in der Pflanzenforschung wie dem Smart Breeding, dass ökologische und sozio-ökonomische Kriterien zu beachten sind:


Gentechnisch veränderte Pflanzen für trockene oder salzige Standorte ("Marginalstandorte")

Als eine weitere mögliche Antwort auf die zunehmende Flächenkonkurrenz sollen gentechnisch veränderte Pflanzen entwickelt werden, die zum Beispiel dürre- oder salztolerant sind, so dass neue Flächen für den landwirtschaftlichen Anbau genutzt werden können. Aber selbst in Fachkreisen ist ein Erfolg dieses Ansatzes stark umstritten. Denn an einer Antwort von Pflanzen auf so genannte abiotische Stressfaktoren wie Dürre oder Salztoleranz ist ein großes Netzwerk verschiedener Gene beteiligt. Die meisten der bisherigen gentechnischen Forschungsansätze setzten immer nur an einer Komponente an - und sind entsprechend gescheitert. Eine erfolgreiche Veränderung mehrerer Gen-Komponenten - und vor allem eine Steuerung, dass dieses Netzwerk auch funktioniert - ist mehr als fraglich. Sollte dieser Forschungsansatz überhaupt jemals aus den Kinderschuhen herauskommen, bliebe immer noch das (alte) Problem der Agro-Gentechnik - die Resistenzentwicklung, in diesem Fall das Risiko, dass sich über Auskreuzung dürre- und salztolerante Wildkräuter entwickeln könnten. Außerdem könnten sich erhebliche Probleme für die biologische Vielfalt ergeben, wenn verstärkt arme Böden beackert würden. Denn gerade ärmer Böden sind häufig Rückzugsgebiete für viele bedrohte Arten.

Warum sollte dieser unsichere und aufwändige Forschungszweig weiter betrieben werden, wenn es vielversprechendere Alternativen in der klassischen Züchtungsforschung gibt? Viele regional angepasste Landsorten weisen eine große Toleranz gegen ungünstige Umweltbedingungen wie Wassermangel oder versalzte Böden auf. Inzwischen wurden in einigen Ländern - mittels Smart Breeding, nicht durch gentechnische Veränderung - neue Sorten entwickelt wie zum Beispiel dürretolerante Erbsen, Mais oder Weizen. Aber auch hier gilt: Ob derartige Pflanzen dann wirklich auf den Marginal-Standorten angebaut werden oder auf fruchtbaren Böden und damit in Konkurrenz zu Nahrungsmittelpflanzen, ist nicht eine Frage der Technik, sondern der politischen Steuerung. Ein Beispiel: In Afrika wird für den Energiepflanzen-Anbau sehr viel Hoffnung in die Purgiernuss (Jatropha) gesetzt, die auch auf anspruchslosen Flächen eine recht hohe Biomasse produziert. Es zeigt sich aber zunehmend, dass die Preisentwicklungspolitik Landwirte dazu treibt, auf ihren fruchtbaren Böden statt Nahrungsmittelpflanzen Jatropha anzubauen - was wiederum das Problem der lokalen Lebensmittelknappheit verschärft.

Grüne Schlussfolgerungen

Die Befürworter der Agro-Gentechnik nutzen die Debatte um globale Probleme wie Hunger und zunehmende Flächenkonkurrenz als Trittbrettfahrer, um das angeschlagene Image der Agro-Gentechnik aufzupolieren. Sie wollen angesichts der Absatz- und Akzeptanzprobleme im Lebensmittelsektor einen neuen Markt für gentechnisch veränderte Pflanzen im Energiebereich erschließen. Derartige interessengeleitete Engführungen auf eine bestimmte Technik helfen nicht, sondern behindern vielmehr die Suche nach einem Weg aus der Welternährungskrise.

Hunger, steigende Lebensmittelpreise und Flächenkonkurrenz sind (auch) das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung in der Landwirtschaft, die vor allem am Wohlergehen der Industrieländer orientiert war. Agro-Gentechnik ist kein innovativer "neuer" Ansatz in der Landwirtschaft, sondern die Weiterentwicklung einer industriellen Landwirtschaft, bei der alte Probleme (Monokulturen, Pestizideinsatz, Resistenzentwicklungen) manifestiert werden und neue Probleme hinzukommen.

Nicht alle, aber viele Ursachen steigender Lebensmittelpreise und Flächenkonkurrenz sind in den reichen westlichen Ländern zu suchen. Fleischhunger macht Welthunger - dagegen hilft keine Technik, erst Recht keine Agro-Gentechnik, sondern hier müssen politische und strukturelle Lösungsansätze gefunden werden. Dazu gehört, in der Agrar(subventions)politik umzusteuern sowie in der Entwicklungszusammenarbeit und in den Partnerländern selbst die bäuerliche Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu stärken. Auch müssen wir unsere Ernährungsgewohnheiten verändern. Und es muss rechtzeitig gegengesteuert werden, damit aus dem Energiehunger nicht noch mehr Welthunger wird. Wichtig ist: Das Menschenrecht auf Nahrung muss Priorität haben, es gilt Food First. Für den Anbau von Energiepflanzen, aber auch für den Anbau von Pflanzen für die Nahrungsmittel- und Futterproduktion, müssen daher umwelt- und naturverträgliche sowie sozio-ökonomisch gerechte Kriterien aufgestellt werden, wie wir sie in unserem Positionspapier zu Bioenergien vorschlagen. Dazu gehört unter anderem auch: Kein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen.

Wichtig ist es, die Konzentration der öffentlichen Pflanzenforschung auf die Agro-Gentechnik zu beenden. Immer wieder wird gefordert, mehr Geld in die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen zu stecken, um "Optionen" offenzuhalten. Wir sagen: Wir brauchen problem- und nicht technikzentrierte Ansätze in der Pflanzenforschung. Der Weltagrarrat IAASTD zeigt in seinem Bericht Wege für eine nachhaltige und an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Landwirtschaft auf, die mit unseren grünen Politikansätzen in der Agrarpolitik übereinstimmen. Auch der UN-Menschrechtsausschuss empfiehlt in seiner Stellungnahme zur Nahrungsmittelkrise im Mai 2008, die Vorschläge des IAASTD in Richtung einer an regionale Strukturen angepasste Landwirtschaft umzusetzen. Innovative Züchtungsforschung ist nicht die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen, sondern wenn zum Beispiel natürliche Schutzmechanismen regional angepasster Pflanzen genutzt werden und hier gezielt konventionell weitergezüchtet wird.

Eine Patentierung von Pflanzen, die mittels gentechnischer oder biologischer Züchtungsverfahren entwickelt wurden, lehnen wir klar ab. Deshalb muss sowohl das Biopatentrecht in Deutschland als auch in der EU verändert werden. Biopatente führen zu Monopolen einzelner Saatgut-Konzerne, zu Abhängigkeiten der Landwirte und zur Einschränkung der Pflanzenzüchtung - und verschärfen dadurch noch langfristig Probleme wie Hunger und Armut.

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden zunehmend im "Non-Food"-Bereich oder als Futtermittel eingesetzt. Verbraucherinnen und Verbraucher in der Europäischen Union und damit auch in Deutschland haben wegen der fehlenden Kennzeichnungspflicht der Endprodukte keine Möglichkeit, Einfluss auf den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel oder nachwachsender Rohstoffe zu nehmen - ein Beispiel hierfür ist gentechnisch veränderte Baumwolle in der Bekleidungsindustrie. Somit erweisen sich die Einsatzbereiche Futtermittel und Nachwachsende Rohstoffe als für die Agro-Gentechnik-Konzerne lukratives Einfallstor für gentechnisch veränderte Pflanzen. Diese Kennzeichnungslücken müssen geschlossen werden.

Es spielt hinsichtlich der Umweltauswirkungen und der Gefährdung der gentechnikfreien Landwirtschaft keine Rolle, ob gentechnisch veränderte Pflanzen als Lebens- oder Futtermittel oder als nachwachsender Rohstoff auf den Acker gelangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit Produkten aus konventioneller und biologischer Landwirtschaft vermischen, ist genauso hoch wie bei gentechnisch veränderten Pflanzen, die zu Lebens- oder Futtermittelzwecken angebaut werden. Darum darf bei den Schutzvorschriften und Risikoprüfungen sowohl im deutschen als auch im Gentechnikrecht der EU nicht zwischen dem Einsatz der Gentech-Pflanzen zu Lebens-, Futtermittel- oder Rohstoffzwecken unterschieden werden. Erleichterungen für den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen im Non-Food-Bereich, wie sie mit der letzten Novelle des Gentechnik-Gesetzes unter Landwirtschaftsminister Horst Seehofer vorgenommen wurden, müssen rückgängig gemacht werden.

Quelle

Vollständiger Text
Welternährung, Nachwachsende Rohstoffe und Flächenkonkurrenz:
Agro-Gentechnik ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/249/249026.beschluss_agrogentechnik.pdf

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