Fortschritt durch Fahrradpolitik
von Michaela Müller
Das Fahrrad ist ein Verkehrsmittel, auf das die Parlamentarier mit einem Wahlkreis in der Hauptstadt nicht verzichten wollen. Am wenigsten scheint das bei Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) der Fall zu sein. Auf die Frage, wie oft er mit dem Fahrrad zum Bundestag fahre, lautete die Antwort kurz und knapp: täglich. Monika Gütters (CDU) gibt an, sie fahre seit der letzten Legislaturperiode "fast täglich" mit dem Fahrrad zum Bundestag. Auch für Eva Högl (SPD) ist das Fahrrad, das Verkehrsmittel, mit dem sie am häufigsten zur Arbeit fährt - etwa vier Mal pro Woche. Halina Wawzyniak (Die Linke) hat es zum ersten Mal in den Bundestag geschafft. Sie könne noch nicht einschätzen, wie viele Termine auf sie zukämen. Im Normalfall wolle sie das Fahrrad benutzen, wenn es die Witterungsverhältnisse zulassen. Der Pankower Martin Lindner (FDP) hingegen gibt an, dass er "voraussichtlich gar nicht" mit dem Fahrrad zum Bundestag fahren werde.
Wie kann der Umweltverbund aus ÖPNV und Fahrrad gestärkt werden?
Wie andere Berufstätige, die in der Stadt arbeiten und am Stadtrand wohnen, ist manchem Abgeordneten der Weg vom Wohnort zum Bundestag mit dem Fahrrad zu weit. "Von Frohnau zum Bundestag zu radeln, ist nicht mein Frühsport. Ich jogge morgens lieber", gibt Frank Steffel (CDU) an. Auch Hellmut Königshaus (FDP) ist der Weg zu weit. Er habe aber die S-Bahn vor der Tür "und werde sie wie bisher auf dem Weg in das Büro nutzen". Doch wenn sich das Fahrrad problemlos im öffentlichen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mitnehmen lässt, ist die Fahrradmitnahme eine sinnvolle Alternative zum Auto. Auf die Frage, was man tun könne, um den Umweltverbund aus ÖPNV und Fahrrad zu stärken, gab es ganz unterschiedliche Positionen.
Während Martin Lindner (FDP) mehr Wettbewerb im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr fordert, ist für Stefan Liebich (Die Linke) die Schaffung von "großzügigen Mehrzweckabteilen" im Nahverkehr wichtig. Außerdem unterstützt Liebich, dass mehr Stellplätze in den Stadtzentren eingerichtet werden. Das neue Leihfahrradsystem der Deutschen Bahn, das derzeit bundesweit im Modellversuch erprobt wird, hält er für eine gute Ergänzung. Auch die Frage danach, was es kosten darf, mit Fahrrad im Nahverkehr unterwegs zu sein, wurde thematisiert. Eine kostenlose Mitnahme des Fahrrades in der S- und U-Bahn wäre für Halina Wawzyniak (Die Linke) eine Möglichkeit, den Umweltverbund zu fördern. Swen Schulz (SPD) fordert "attraktive Tarife" bei der Mitnahme.
Obwohl der Ausbau der Fahrradinfrastruktur vorwiegend Aufgabe der Bezirke oder des Senats ist, sind manche Parlamentarier über die Situation in ihrem Wahlkreis informiert. Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) fordert für Charlottenburg-Wilmersdorf den Ausbau eines Routennetzes, das mit angrenzenden Bezirken verbunden ist. Ein wichtiger Schritt sei es gewesen, die Teufelseechaussee im August 2007 zur Fahrradstraße zu machen. Monika Gütters (CDU) ist der Ansicht, dass die Verkehrssicherheit in Marzahn-Hellersdorf noch verbessert werden könnte: "Ich werde mich dafür einsetzen, dass mehr Fahrradständer angebracht werden, die Radwege noch weiter ausgebaut und Kreuzungen für Radfahrer unfallsicherer gemacht werden." Heinz-Georg Wellmann (CDU) erklärt, er setze sich für ein Fahrradparkhaus am S-Bahnhof Zehlendorf ein.
Im Jahr 2025 sehen viele Parlamentarier das Fahrrad in der Stadt gleichberechtigt mit dem Auto. Frank Steffel (CDU) geht davon aus, dass der Radverkehr in den nächsten Jahren stark zunimmt. Auf diese Entwicklung müssten sich Stadtplaner und Politiker einstellen. Aufgrund der steigenden Spritpreise wird das Fahrrad weiterhin an Bedeutung gewinnen, meint auch Kai Wegner (CDU). Swen Schulz (SPD) ist der Ansicht, dass aber auch Handlungsbedarf besteht: "Das Problem ist, dass die Kombination von Rad und ÖPNV noch schwierig ist. Zudem fühlen sich viele im Straßenverkehr auf dem Rad nicht sicher genug. Wenn Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten, könne es gelingen, das Fahrrad im Stadtverkehr mit dem Auto gleichzustellen. Die Schaffung einer fahrradfreundlichen Infrastruktur sei dafür Voraussetzung", so Schulz.
Die Wartung ihres Fahrrads überlassen die meisten Abgeordneten lieber ihrem Fahrradhändler. Zehn der zwölf Parlamentarier geben an, einen Fahrradschlauch wechseln zu können, aber zu ihren Lieblingsbeschäftigungen zählt es nicht. Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) gibt unumwunden zu: "Ehrlich? Wahrscheinlich nicht, mein letzter gewechselter Schlauch ist 15 Jahre her. In dem Punkt seh’ ich es mit der Geschlechtergerechtigkeit nicht so eng ..."