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Sollen wir nicht sparen wollen?

von Nikolai Wolfert

Berlin Ostkreuz. Viel verändert sich hier. Ein komplett neuer Bahnhof ist im Aufbau. Eine Gruppe Bremer und Berliner haben hier den ersten Klamottentauschladen eröffnet. Wer den Kleider-tauschen-Leute-Laden betritt, sieht ein großes Angebot an Pullovern, Kleidern, T-Shirts. Alles umsonst. Manche "Kunden" bringen körbeweise ihre Kleidung ein.

Ich treffe Nils vom Klamottentauschladen:


Hallo NILS,

sind dir Kleider wichtig?

Kleider waren mir mal schon wichtiger. Jedenfalls das, was sie ausstrahlen sollen.

Wann kam es zu dem Punkt, wo du begonnen hast umzudenken?

Ich bin irgendwann empfänglicher geworden für bestimmte Infos. Dann hier ne Doku, da ne Veranstaltung, ein guter Text und ein augenöffnendes Gespräch und zack war ich drin. Schwierig ist bei der ganzen Kritik die Lebensfreude nicht zu verlieren, aber ohne positive Energie gibt es keine guten Veränderungen.

Wieviel Kleidung braucht der Mensch?

Anscheinend jedes Jahr 28 Kilo. Zumindest bei uns. Aber da ist wohl eher die Frage "Wieviel Mode braucht der Mensch?". Der wachsende Textilverbrauch wär' gar nicht so schlimm, wenn nicht die Produktion so beschämend rücksichtslos wäre. Alleine die ganzen Chemikalien, die in neuen Kleidungsstücken stecken. Wer gebraucht konsumiert, lebt definitiv gesünder.

Was ist dein Motiv? Willst du die Welt retten?

Nein, nicht die Welt retten. Eigene Spielregeln aufstellen und merken, dass es doch anders geht. Mit dem Klamottentauschladen wollen wir unsere Mitmenschen ein bisschen vom Geldumgang und wirtschaftlichen Konsum weglocken.

Danke für deine interessanten Gedanken. Ciao

* * *

Der Laden ist eine Kritik am Shopping-Kult, der ohne Bewusstsein und nur am eigenen Lifestyle, die Welt zugrunde richtet. Es gilt: Innerhalb der Räumlichkeiten wird Geld kein praktischer Tauschwert beigemessen. Der Textilaustausch richtet sich nach dem individuellen Bedarf, dem Einbringen von Tauschwaren und gemeinschaftlicher Fairness. Fast zu viel gelebte Utopie auf einmal.

Was antreibt

Textilien sind besondere Grundprodukte. Wie keine andere Sache liegen sie am Menschen, sie sind "Teil" des Menschen. Kleidung "ist" der Mensch, zumindestens der erste Eindruck, den ein Mensch geben kann.

Auch Rainer "arbeitet" für den Kleidertauschladen.

Hallo RAINER,

Warum betreibst du den Klamottentauschladen?

Wir wollen kwirlen durch die Gesellschaft. Nett sein. Ich tu das aus freien Stücken. Es gibt Überkonsum. Für den Kauf muss extra etwas hergestellt werden. Es ist besser, bereits hergestellte Waren wieder in Umlauf zu bringen.

* * *

Als Produkt im Kapitalismus ist Kleidung für die Wirtschaft ein Mittel zum Profit. So wundert es nicht, dass Mode immer kürzeren Zyklen unterliegt und der Textilkonsum stetig wächst. Die Textilindustrie schafft die Lebensstile, die Bedürfnisse, setzt die Trends.

So wurden die Deutschen Weltmeister beim Textilverbrauch und zwar mit einem Jahresdurchschnittverbrauch pro Körper von 28 Kilogramm. Doch nicht nur die Ursachen des Überkonsums auch die Folgen sind ein Problem.

"An sich könnte [der Textilverbrauch] als Privatangelegenheit abgetan werden, als ökonomisches und ästhetisches Problem für jeden Einzelnen, wenn nicht unser Modeverhalten gravierende Auswirkungen in globaler, soziologischer und damit auch ökologischer Hinsicht hätte." (Nachhaltigkeit und Globalisierung am Beispiel Textilien - Eva Schmidt 2003)

Die Folgen für Mensch und Umwelt sind durch die globalen Produktionsketten beachtlich. Dieser globalen Entwicklung lokal entgegenzuwirken ist die Motivation zu diesem Projekt.

Was entsteht

Im Berliner Umfeld bietet die Gruppe unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten dem Problem übermäßger und übermächtiger Textilproduktion nähern zu kommen. Gespräche und Diskussionen werden angestoßen für die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Bezug zu Kleidung. Filme wie "chine blue" werden gezeigt.

Den Teilnehmer_Innen soll eigenständiges Handeln ermöglicht werden. Ein Teil dessen ist die Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten in angeleiteten Übungsstunden zu Textilbe- und -verarbeitung.

zu "Kleider tauschen Leute"

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